So finden Sie die Lerntypen Ihrer Nachhilfeschüler:innen heraus
13. Juli 2024
Alles rund um Lerntypen
Jeder Mensch lernt unterschiedlich, da sind sich vermutlich alle einig – und von Lerntypen hat bestimmt fast jede und jeder schon einmal gehört. Das Lerntypen-Modell ist mittlerweile ziemlich populär. Viele haben bestimmt auch schon Tests im Internet ausprobiert um herauszufinden, was für ein Lerntyp sie selbst sind. Lerntypen können Nachhilfekräften eine Orientierung für die passenden Lehrmethoden im Unterricht geben. Das Modell steht jedoch auch in der Kritik. Was sind diese besagten Lerntypen genau und wie finde ich heraus, welche Lerntypen auf meine Nachhilfeschüler:innen zutreffen? Das und mehr erfahren Sie hier.
Die vier Lerntypen nach Vester und wie man sie erkennt
Die sog. „Lerntypen“ nach Frederic Vester beschreiben unterschiedliche Arten des Lernens. Nach seiner Theorie werden Informationen über unterschiedliche Wahrnehmungskanäle aufgenommen, beispielsweise über das Hören, Tasten oder Sehen. Diese Theorie geht davon aus, dass Menschen über bestimmte Kanäle besser Informationen aufnehmen als über andere. Somit kann bestimmten Sinnesorganen ein Lerntyp zugeteilt werden:
Visueller Lerntyp
Visuelle Lerntypen lernen durch das Sehen: Informationen werden mit Bildern, Grafiken, etc. besser aufgenommen und verarbeitet. Als Nachhilfelehrer:in erkennt man den Lerntyp bei Schülerinnen und Schülern, die häufig Notizen, Skizzen, Gliederungen und Mindmaps erstellen.
Sie werten ihre Notizen auch oft mit bspw. Markierungen, Zeichnungen, Stickern und Post-Its auf, was ihnen hilft, sich Dinge besser strukturiert merken zu können.
Sie können visuelle Lerntypen auch oft daran erkennen, dass sie sich an Details gut erinnern, ordentlich arbeiten und sofort genau wissen, wo etwas in ihren Notizen steht. Alles, was optisch schön, ordentlich und strukturiert gestaltet ist, hilft visuellen Lerntypen.
Auditiver Lerntyp
Auditive Lerntypen lernen hauptsächlich über das Hören und Sprechen. Nachhilfekräfte können den auditiven Lerntyp z.B. daran erkennen, dass er beim Lernen oder Wiederholen den Stoff vor sich hin sagt und beim Lesen leise mitspricht, bzw. die Lippen bewegt. Kinder, die auditiv lernen, können sehr schnell Lieder, Hörspiele, etc. (fast) auswendig mitsprechen. Auch Gedichte können sie sich schnell merken, auditive Lerntypen haben oft eine hohe Auffassungsgabe und Aufmerksamkeitsspanne. Erklärungen zu Bildern oder Texten helfen auditiv Lernenden, um den Lernstoff besser zu verarbeiten und schneller zu verstehen.
Haptischer Lerntyp
Haptische Lerntypen lernen, indem sie sich ausprobieren und Dinge anwenden. Sie haben eine eher praktische Veranlagung. Besonders bei haptisch lernenden Kindern fällt auf, dass sie beim Lernen Dinge anfassen und fühlen – sie beziehen gerne veranschaulichende Modelle mit ein (in Mathe zum Beispiel Würfel, Quader, Prisma, Zylinder, etc.). Man erkennt diesen Lerntyp z.B. auch an seiner Experimentierfreude: Haptisch Lernende bauen beispielsweise gerne Sachen oder spielen viel mit Lego. Der haptische Lerntyp muss Informationen auch meist selbst (mehrfach oder einfach) mit der Hand auf Papier notieren, um sich die Notiz einzuprägen. Viele lassen Bewegung mit in die Übungen und in das Lernen einfließen, was ihnen hilft Informationen besser zu verarbeiten.
Kognitiver/Intellektueller Lerntyp
Dieser Lerntyp ist eher in Klammern zu setzen: Kognitive Lerntypen lernen laut Vester einfach nur durch das Denken. Wenn sie Informationen durchdenken und diese für sich selbst kritisch hinterfragen, verfestigen sie ihr Wissen. Demzufolge reicht für sie das bloße Nachdenken aus, um zu lernen und zu verstehen. Besonders dieser Lerntyp stand und steht in der Kritik, da er sich nicht auf einen Wahrnehmungskanal bezieht, sondern es nur um das reine Verstehen geht. Außerdem werden auch bei den anderen Lerntypen kognitive Prozesse bei der Verarbeitung von Informationen aktiv, weshalb streng genommen jeder Lerntyp „intellektuell“ und „kognitiv“ sein müsste.
Erweiterungen des Modells von Vester
Einige Nachfolger:innen Vesters haben, basierend auf seinem Modell, noch einen fünften Lerntyp festgesetzt: den kommunikativen Lerntyp.
Dieser Lerntyp lernt am besten im Austausch mit anderen Menschen, da er so die wichtigsten Informationen leichter herausfiltern kann und sich Gelerntes schneller verfestigt. Nachhilfelehrer:innen erkennen ihn daran, dass er immer wieder gut durchdachte Fragen zu Themen stellt und gerne diskutiert. Kommunikative Lerntypen sind gut im Reden und im Zuhören. Sie haben aber oft Probleme damit, alleine zuhause zu lernen und genießen daher vermutlich die kommunikative Facette des Nachhilfeunterrichts. Kommunikativ Lernende stechen meist in Gruppenarbeiten hervor und erklären anderen gerne den Unterrichtsstoff, was auch ihr eigenes Verständnis weiter steigert.
Auch weitere Lerntypen, wie beispielsweise medien- und personenorientierte Lerntypen wurden kreiert und das Modell wird stetig erweitert.
Die Mischung macht’s
So weit die Theorie – diese bildet nicht immer 1:1 die Realität ab. So individuell wie jeder Mensch ist, so individuell ist auch sein Lernverhalten. Auf die meisten Personen treffen demnach eher Mischformen unterschiedlicher Lerntypen zu.
Das Wissen, welche Lerntypen/welche Kombination der Lerntypen auf einen selbst zutreffen, kann sehr von Vorteil sein. So kann man besser darauf achten, effektiv zu lernen und nur noch Lernmethoden zu nutzen, die für sich selbst geeignet sind. Dadurch kann man auch je nach Lerninhalt die passende Methode auswählen. Genauso sinnvoll ist es auch für Nachhilfelehrer:innen das Lernverhalten ihrer Schülerinnen und Schüler zu ermitteln, um herauszufinden, wie sie den Unterricht am besten für das Kind gestalten können.
Kritik am Lerntypen-Modell
An dieser Stelle darf nicht unerwähnt bleiben, dass Vesters Modell immer wieder in der Kritik steht. Wie schon beschrieben, ist beispielsweise der kognitive Lerntyp in sich unlogisch. Beim kognitiven Lerntyp liegt der Fokus nur auf dem Verstehen und es erscheint dabei der Eindruck, als würde kein Sinnesorgan mit einbezogen werden (sondern nur das Denken). Das Widersprüchliche daran ist: Nicht nur der kognitive Lerntyp, sondern auch alle anderen Lerntypen, verstehen Inhalte und andersherum nimmt auch der kognitive Lerntyp Sinneseindrücke wahr, genauso wie die anderen.
Es gibt außerdem keine empirische Evidenz dafür, dass die beschriebenen Lerntypen wirklich (isoliert voneinander) existieren. Gerade deshalb ist es wichtig, sich nicht darauf zu versteifen, nur ein bestimmter Lerntyp sein zu müssen und diesen auf sich oder Nachhilfeschüler:innen zu projizieren. Online-Tests zur Bestimmung eines einzelnen Lerntyps sind daher unzuverlässig und unbrauchbar.
Sie können bei wiederholter Anwendung sogar zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Das Lerntypen-Modell will also die Komplexität des Lernprozesses auf ein Minimum herunterbrechen und vereinfachen. Dessen muss man sich bewusst sein – es ist eben nur ein Modell. Schüler:innen und Nachhilfekräfte können das Modell aber problemlos nutzen, um eine gute (wenn auch oberflächliche) Orientierungshilfe zu bekommen. Am Ende muss trotzdem die Zusatzleistung erbracht werden, zutreffende Merkmale verschiedener Lerntypen herauszufinden und den individuellen Lernweg für sich oder den/die Nachhilfeschüler:in zusammenzustellen.
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